Als ihr Vater in Polen stirbt, ist sie 13. Man schickt sie nach Deutschland zu ihrer Mutter, die mit ihrer Tochter rasch überfordert ist. Das Mädchen geht verloren in der fremden Kultur mit einer Sprache, die sie nicht versteht. Als 15-Jährige taucht sie 2017 in der therapeutischen Wohngruppe "Twist" wieder auf, wo Kay Schwanebeck gerade als Sozialhelfer anfängt.
Der Stralsunder war bis 2011 selbst Klient von Chamäleon, zog sich gefordert und gefördert von den Sozialarbeitenden aus dem Drogensumpf. Er blieb. Fasziniert von den Geschichten der Kinder und Jugendlichen begann er ein Praktikum, holte seinen Realschulabschluss nach und machte eine Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher. Kay wurde ein "Chamäleon", wie sich die Mitarbeitenden nennen.
Als das polnische Mädchen in seine Obhut kommt, kann der Sozialarbeiter etwas zurückgeben. Unterstützt von Chamäleon reisen sie in das polnische Elternhaus des Mädchens. Noch nach Jahren finden sie es wie frisch verlassen vor. Getränkeflaschen stehen in der Küche. Eine Decke liegt auf dem Sofa.
"Die Reise hat viel mit mir gemacht. Junge Menschen wie wir werden gern als Problemkinder, Drogensüchtige und Systemzerstörende betrachtet. Dabei haben die Jugendlichen viel erlebt. Wir sehen von außen nicht, was in den kleinen Seelen schlummert", sagt Kay.
Der 33-Jährige arbeitet mittlerweile in Ambulanten Hilfen für Erziehung und leitet die therapeutische Wohngemeinschaft "Phoenix". Sein Team betreut meist Minderjährige mit Drogenproblemen und Doppeldiagnosen.
"Unsere Kinder und Jugendlichen sind häufig komorbid. Das heißt, Borderline, ADHS oder Essstörungen begleiten ihre Süchte", sagt der Sozialpädagoge. In der ambulanten Betreuung entscheidet eine schnelle Hilfe oft über die Zukunft der Betroffenen. Zu Kays Anfangszeiten verlief die Organisation über Telefon und persönliche Gespräche. Seit zwei Jahren nutzen alle "Chamäleons" kurze Informationswege über die moin!-App. Das mobile Intranet revolutionierte die Organisation und die Soforthilfe. Die Mitarbeitenden stimmen sich ab, protokollieren persönliche Absprachen, legen wichtige Dokumente ab, verteilen Aufgaben und diskutieren in Eins-zu-eins- und Gruppenchats.
"In der App kursieren beispielsweise sensible Daten unserer Klientinnen und Klienten im geschützten Raum. Das ist in Notfällen besonders wichtig", erklärt der Einrichtungsleiter. "Außerdem macht es Chamäleon als Arbeitgeber attraktiver. Kurze Wege. Weniger Papierkram. Digital und mobil. Die heutige Generation kennt es gar nicht anders. Und mit dem Feierabendmodus können sie ihre Freizeit gut vom Job abgrenzen."
Info: Dienstanweisungen, Formulare, Protokolle und andere Dokumente rasch ablegen und wiederfinden. Mitarbeitende tragen mit moin!-App quasi ihre gesamte Dateiablage in der Hosentasche.
Das polnische Mädchen aus Kays Anfangszeiten steht längst aufrecht im Leben. Unterstützt von den "Chamäleons" erlangte die junge Frau ein starkes Selbstbewusstsein. Kay Schwanebeck und sein Team helfen vielen weiteren Kindern und Jugendlichen zurück in ihre Zukunft.
Video-Interview mit Kay Schwanebeck und Sebastian Fäcknitz von Chamäleon Stralsund e.V.
"Schön, dass wir den Jugendlichen eine Welt bieten können, in der sie sich wohlfühlen."