Ja, genau: Der Pullover soll es sein. Leider gibt es das Modell nur im Online-Shop. Kein Problem – bestellen Sie ihn doch einfach, oder? Nein, denn Sie sind eine oder einer von 7,9 Millionen.
Jeder Zehnte stößt online an digitale Grenzen. Manche Hürden können eigenständig überwunden werden. Andere nicht. Und das, obwohl das Internet ein essentieller Bestandteil unseres Alltags ist. Im Netz bilden Menschen mit Behinderung sogar die Mehrheit: 61 Prozent von ihnen shoppen regelmäßig online. Bei Menschen ohne Einschränkungen sind es lediglich 51 Prozent. Das zeigen Studien der Aktion Mensch. Häufig endet der digitale Einkaufsbummel bereits vor dem Kaufabschluss. Beispielsweise, weil der „Kaufen“-Button nur mit Hilfe der Maus bedienbar ist.
Was sind digitale Barrieren?
Barrieren fallen uns häufig erst auf, wenn wir betroffen sind. Ein abgesenkter Bordstein war jahrelang egal – mit Kinderwagen und vollen Einkaufstaschen wird er zu einem Hindernis. Ob temporäre oder dauerhafte Einschränkung – abgesenkte Bordsteine erleichtern vielen Menschen den Alltag. Ähnlich verhält es sich im Internet.
Instrumente für weniger Barrieren
Hohe Kontraste garantieren für alle eine gute Lesbarkeit, für Menschen mit Sehbehinderung machen sie geschriebene Inhalte wahrnehmbar. Um auch visuelle Inhalte zugänglich zu machen, eignen sich ALT-Texte. Sie werden von Screenreadern vorgelesen.
Gehörlose Menschen brauchen Untertitel, um auditive Inhalte wahrnehmen zu können. Diese werden häufig automatisch generiert und sollten auf Richtigkeit überprüft werden. Für manuell erstellte Untertitel, weisen „Safe Spaces" bei Instagram und TikTok darauf hin, wo die Untertitel leserlich platziert werden können.
Auch Menschen mit psychischen Einschränkungen – wie Depressionen, Angststörungen, Epilepsie, Aufmerksamkeits-, Konzentrations- oder Lernschwächen – dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Bunte Bilder, viele Animationen und unstrukturierte Inhalte können Betroffene überfordern. Das Filtern von Informationen fällt ihnen schwer. Websitebetreibende sollten Videos auf Epilepsie-Trigger untersuchen und mit entsprechenden Warnhinweisen versehen.
Komplizierte Texte mit langen Sätzen und wenigen Absätzen sind auch für Menschen ohne Behinderung schwer greifbar. Einfache und Leichte Sprache können helfen. Einfache Sprache verzichtet auf Fachbegriffe. Sie besteht aus kurzen und prägnanten Sätzen, die alle verstehen.
Öffentliche Dienststellen des Bundes sind laut Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) verpflichtet, Inhalte bei Bedarf in Leichter Sprache anzubieten. Die Leichte Sprache folgt festgelegten Regeln – sie enthält Empfehlungen zur Typografie, zum Satzbau und zur visuellen Umsetzung.
Anschauliche Beispiele und noch mehr Informationen zum Thema liefert Daniel Hoffmann, Geschäftsführer von MANDARIN CARE in einer Websession zur digitalen Barrierefreiheit.
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Vier Prinzipien der Barrierefreiheit
Die WCAG-Standards (Web Content Accessibility Guidelines 2.1) sind eine internationale Richtlinie, um Internetangebote barrierefrei zu machen. Sie definieren vier Prinzipien der Barrierefreiheit.
Wahrnehmbarkeit kann bedeuten, dass Inhalte visuell und auditiv angeboten werden. So erhalten gehörlose Menschen und Menschen mit Sehbehinderung Zugang.
Bedienbarkeit bezieht sich zum Beispiel auf die Website-Navigation nur mit der Tastatur. Die Website sollte eine zugängliche Informationsarchitektur bieten.
Verständlichkeit meint, dass eine einfache und zugängliche Sprache gewählt wird.
Robustheit garantiert, dass digitale Inhalte mit verschiedenen Browsern und assistiven Technologien, zum Beispiel Screenreadern, kompatibel sind.
Barrierefreie IT-Lösungen
Neben den WCAG-Standards sorgt die BITV 2.0 (Barrierefrei-Informationstechnik-Verordnung 2.0) für eine umfassende und uneingeschränkt barrierefreie Informations- und Kommunikationstechnik. Sie stellt sicher, dass IT-Lösungen öffentlicher Stellen für Menschen mit Behinderung zugänglich sind. BITV 2.0 gilt für alle öffentlichen Stellen des Bundes. Dazu zählen die Einrichtungen der Bundesverwaltung und die Stellen, die laut § 12 BGG das Vergaberecht anzuwenden haben und damit dem Bund zuzurechnen sind.
Und der Online Shop?
Damit neben öffentlichen Stellen auch Internetangebote wie Online-Shops für alle Menschen zugänglich sind, tritt am 28. Juni 2025 das BFSG (Barrierefreiheitsstärkungsgesetz) in Kraft.
Was verändert das BFSG?
Websites, Apps oder Online-Shops sollen für jeden Menschen selbstständig auffindbar, zugänglich und ohne Hilfe nutzbar sein.
Wen betrifft das BFSG?
Das BFSG betrifft Menschen, die digitale Produkte oder Dienstleistungen herstellen, importieren oder sie über Apps, Websites oder Webshops vertreiben. Auch Webseiten, auf denen beispielsweise Online-Termin-Buchungen angeboten werden, müssen barrierefrei sein.
Welche Ausnahmen gibt es?
Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz oder einer Jahresbilanz unter zwei Millionen Euro sind vom Gesetz ausgenommen. Außerdem fallen Produkte und Dienstleistungen, die vor dem 28. Juni 2025 auf den Markt kamen oder erbracht wurden, nicht unter das BFSG.
Overlay-Tools sind zu einfach
Sogenannte Overlay-Tools versprechen nachträgliche Barrierefreiheit, indem lediglich eine Zeile JavaScript hinzugefügt wird. Das klingt zu einfach? Ist es leider auch. Overlay-Tools sind generalisierte Werkzeuge, die für spezifische Zwecke ungeeignet sind. Durch fehlenden Kontext oder zu wenig Informationen können sie beispielsweise keine ALT-Texte ergänzen.
Die Tools eignen sich lediglich für kosmetische oder technische Anpassungen. Sie erfüllen die gesetzlichen Anforderungen nicht und schaffen keine echte Barrierefreiheit.
Im Gegenteil: Menschen mit Einschränkungen nutzen häufig die Einstellungsmöglichkeiten des Betriebssystems, des Browsers oder assistive Technologien. Overlay-Tools können die bereits etablierten Technologien stören und damit Barrieren verstärken.
Das nötigt Menschen mit Einschränkungen dazu, sich die Funktionsweise der Tools anzueignen, obwohl sie bereits bewährte Helferlein haben. Wenn Overlay-Tools bestehende Technologien unterstützen und sie nicht ersetzen sollen, können die Tools dennoch sinnvoll sein.
Digitale Barrierefreiheit ist ein paralympischer Marathon und kein Sprint. Barrierearme Konzeption muss bei digitalen Inhalten konsequent mitgedacht werden.
Sie möchten die Online-Welt ein bisschen besser machen?
Wir prüfen den aktuellen Stand Ihrer Website gemäß WCAG-Standards. Manuell und mit automatisierten Tools untersuchen wir zum Beispiel:
- Tastaturbedienung und Navigation
- Links und Buttons
- Visuelle Inhalte wie Bilder, Grafiken, Animationen und Videos
- Texte
- Vergrößerbarkeit
- Formulare, Slider und Pop-Ups
- Responsives Verhalten
Das Ergebnis werten wir persönlich aus und erarbeiten gemeinsam individuelle Lösungen für Ihre Online-Präsenz. In einem kostenfreien Erstgespräch klären wir Unsicherheiten und beantworten Ihre Fragen.